Montag, 10. Dezember 2007

Weihnachten fällt heuer aus...

Noch sieben Türchen, dann kommt der Weihnachtsmann. Lisa ist zwar erst fünf, aber das weiß sie ganz genau. „Mama, noch sieben Mal schlafen, gell?“ fragt sie. Die seufzt unhörbar, während ihr Tränen in die Augen steigen. „Hoffentlich Lisa, hoffentlich...“ sagt sie leise – es klingt wenig zuversichtlich. „Die Luisa wünscht sich einen neuen Wagen für ihre Puppe“ plappert Lisa weiter drauf los „und den Jonathan kommt seine Oma besuchen. Die gehen dann zum Schwimmen.“ Lisa überlegt kurz „Mama, wieso gehen wir nicht ins Schwimmbad?“ fragt sie. „Ach Lisa mein Kind,“ seufzt die Mama „wir gehen bestimmt auch wieder Schwimmen. Aber jetzt geht das eben nicht, wir müssen warten, bis wieder Sommer ist.“ „Wenn ich groß bin, dann geh ich mit meinem Kind auch im Winter zum Schwimmen!“ antwortet Lisa ebenso trotzig wie entschlossen. Die Mama weint leise vor sich hin.

Wie gerne würde sie ihrem kleinen Liebling doch all seine Wünsche erfüllen können. Aber seit Lisas Papa sie verlassen hat, von einem Tag auf den anderen, da geht das nicht mehr so einfach. Abends hatte er Lisa wie immer ins Bett gebracht und Ihr eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen – am nächsten Morgen war er weg. Das war von einem Jahr. Seither hat Lisa nichts mehr von ihm gehört, genau wie die Mama. Doch, einmal hat der Papa noch angerufen, als Lisa fünf wurde. Er hat geweint, als er Lisa zum Geburtstag gratuliert hat. Dann wollte er Mama sprechen. Und die hat dann auch ganz doll lange geweint. Lisa hat dann einfach mitgeweint. Das war kein schöner Geburtstag.

Seit der Papa von Lisa weg ist, weint die Mama überhaupt ziemlich oft. Lisa hört das immer, wenn sie am Abend im Bett liegt. Wenn der Mann mit der großen schwarzen Aktentasche klingelt, dann weint die Mama auch. Eigentlich findet Lisa den Mann ja ganz nett, weil er ihr ab und zu diesen grünen Apfelkaugummi mitbringt, den sie über alles liebt. Aber beim letzten Mal hat Lisa den Kaugummi dann nicht mehr haben wollen. Weil die Mama dem Mann dafür immer viel Geld geben muss. Der Mann wollte aber trotzdem von der Mama Geld. „Rüdiger. Wieso wusste ich davon nichts?“ fragt die Mama den Mann dann immer ganz leise, der scheinbar genau so heißt wie der Papa von Lisa.

Wenn aber Frau Müller kommt, dann freuen sich Lisa und Mama immer. Frau Müller hat der Mama auch gezeigt, wie sie für Lisa einen Adventskalender basteln kann. Und einen Mann geschickt, der die Waschmaschine wieder heil gemacht hat. Mama sagt, Frau Müller ist ein Engel. Lisa findet das auch. Außerdem ist Frau Müller die beste und einzige Freundin von Mama. Früher, als der Papa noch da war, hatte die Mama auch noch andere Freundinnen, aber die haben jetzt ganz andere Sorgen als sie, sagt die Mama immer. Und weil Lisa nicht alleine Zuhause bleiben soll, geht die Mama mit denen auch nicht mehr ins Kino.

Wenn Frau Müller da ist und die Mama mit ihr spricht, dann muss Lisa immer in ihr Zimmer gehen. Manchmal schleicht sie dann leise wieder raus und hört zu. Die Mama erzählt dann Frau Müller immer ihre Sorgen. Daher weiß Lisa auch, dass der Papa Schulden hatte, von denen die Mama nichts wusste. Lisa weiß nicht genau, was Schulden sind, aber sie findet sie ziemlich doof, weil die Mama deswegen immer traurig ist und nur ganz wenig Geld hat.

Es klingelt und Frau Müller steht vor der Tür. „Lisa, gehst Du bitte in Dein Zimmer zum Spielen.“ sagt die Mama. Lisa tappt davon. Mama erzählt Frau Müller gerade, dass sie nicht weiß, woher sie Geld für die Puppe nehmen soll, die Lisa sich so sehnlich vom Weihnachtsmann wünscht, als Lisa wieder an der Tür lauscht. „Zwanzig Euro“ sagt die Mama, „wegen zwanzig Euro, die wir nicht haben, fällt Weihnachten für meine Lisa heuer aus.“ Dann weint Mama „Ich weiß nicht, wie ich das meinem Kind erklären soll.“ Lisa kann nicht glauben, was sie hört – und weint auch leise vor sich hin.

Frau Müller schweigt, lächelt dann und sagt „Vielleicht hat auch gerade Lisas ganz persönlicher Weihnachtsmann diese Geschichte gelesen...“

Update: Die Aktion "Hamburgs frohe Kinderaugen" wurde mit großem Erfolg abgeschlossen. Weit mehr als hundert Päckchen konnten an die Mitarbeiter des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung übergeben werden - weit mehr als hundert Kinderaugen haben, Dank zahlreicher Hamburgerinnen und Hamburger, an Heiligabend froh erstrahlen können.

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